Learning from the Best

Learning from the Best

Unter diesem Motto stand die Asienreise des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (u.a.). Das Lernen von den Besten ist aber ganz anders ausgefallen, als man vermuten könnte.

I Warum Singapur und Hongkong?

Wenn man sich die statistischen Daten ansieht, dann ist es zunächst naheliegend, Singapur und Hongkong zu besuchen. Sowohl bei den Investitionen in Bildung als auch bei den Ergebnissen diverser Bildungsstudien liegen die beiden Länder ganz vorne. Andererseits ist  auch bekannt, wie diese Ergebnisse erreicht werden, dass der Begriff „Bildungshunger“ eine euphemistische Umschreibung für Konkurrenzdruck, Rankings, Nachhilfe nach der Schule etc. ist. Es ist fraglich, ob das mit unseren Wertvorstellungen vereinbar ist und ob wir ein solches Schulsystem kopieren wollen.

Link: National average learning outcomes vs GDP per capita, 2015

Link: SINGAPUR: Zwölf Stunden Büffeln am Tag

Link: What other countries can learn from Singapore’s schools.

II Singapur: Nanyang Technological University und das National Institute of Education

Im Folgenden möchte ich nur kurz von drei der unzähligen Termine berichten. Den Anfang macht die Nanyang Technological University und das National Institute of Education. Die NTU ist eine der Top Universitäten Asiens, es werden ca. 38.000 Studierende ausgebildet, von diesen wohnt etwa die Hälfte direkt am Campus.

In der Vorstellung durch den Rektor wird die Bedeutung von Rankings relativiert, die folgenden Folien zeigen aber eindrücklich, dass man sehr stolz ist, als junge Universität (gegründet 1991) mit den besten Universitäten der Welt mithalten zu können. 68 % der Professorinnen und Professoren kommen aus dem Asuland.

80 % der Vorlesungen und Seminare sollen künftig technologiegestützt durchgeführt werden. Als didaktische Innovation wird der Flipped Classroom präsentiert (siehe auch: http://www.hey.ntu.edu.sg/issue27/features_02.html#.W5d22_Z9g-W).

Der Staat hat Einfluss auf die Forschung. Es wird unter anderem auf ein international besetztes Gremium vertraut, wenn die Ziele und Vorgaben für Forschung formuliert werden.

Von besonderem Interesse ist für mich das National Institute of Education (NIE), welches ein Teil der NTU ist. Eine holistische Herangehensweise in der Lehrerbildung wird bei der Präsentation betont, als Beleg dafür wird das neue Programm V3SK vorgestellt.

Quelle: http://www.nie.edu.sg/docs/default-source/td_practicum/te21—v3sk.pdf

Im kleinen Kreis wird dann berichtet, dass man sich in einem großen Umbruch befindet und dieser Überzeugungsarbeit verlangt: man wendet sich von Rankings ab und möchte Kreativität im Unterricht viel stärker fördern. Diese Kehrtwende benötigt aber Jahre, bis sie in den Köpfen der Lehrenden angekommen ist. Der Mut zur Veränderung ist beeindruckend, ebenso wie die Forschungsorientierung in der Lehrendenausbildung (https://www.nie.edu.sg/research/).  Digitale Medien sind Teil des Programms – innovative pedagogy: https://www.nie.edu.sg/teacher-education/programme-features/

Lehrende kommen für Leadership-Programme zurück an das NIE, diese dauern 7 Monate(!).

Link: Und jetzt werden alle kreativ

III Hongkong: Canadian International School

In Hongkong besuchen wir die Canadian International School. Die Anreise vom Flughafen hinauf zur Schule erinnert etwas an den Weg nach Maria Taferl, wenngleich in Marbach doch deutlich weniger Hochhäuser stehen. Die Schüler/innen sind bereits aufgereiht und begrüßen uns winkend vor dem Eingang.

Die Canadian International School ist eine Privatschule, das Schulgeld beträgt zwischen 15.000 und 21.000 EUR jährlich. Dazu kommen Kosten für Ausflüge, Projekttage, iPads u.a. Interessant ist die unterschieldiche Wahrnehmung der Schule. Gruppe 1 besucht den Werkunterricht und ist anschließend nicht so ganz von dem Gesehenen überzeugt (Struktur und Strategie fehlt).

Wir von der Gruppe 4 haben das Glück, ausführlich mit einigen Schülerinnen und Schülern sprechen zu können. Vier Mädchen und Burschen berichten mit großer Begeisterung von ihren Projekten im Coding und Robotik Lab. Die Technologien sind zum Teil ident mit denen, die wir im DLPL Projekt verwenden (BeeBots, Scratch) oder zumindest bekannt (mBots und mBlocks). Nach einem Besuch einer Volksschulklasse (sie kommunizieren gerade mit ihren Eltern und verwenden Seesaw um von den ersten Tagen zurück in der Schule zu berichten) und dem Chinese Studies Department können wir noch vom Dach der Schule einen atemberaubenden Blick über Hongkong werfen. Die Schüler/innen sind beim Urban Gardening hoch über der Stadt zugange.

Die Begeisterung und Offenheit mit der die Kinder von ihrem Schulalltag berichten sind beeindruckend. Die Schule hat ein umfassendes Konzept zur technischen Ausstattung und zur Verwendung digitaler Medien: jedes Kind besitzt sein iPad, später MacBook. Interessanterweise werden vor allem Google Dienste verwendet: Google Classroom, GMail, Google Drive. In der Volksschulklasse wurde mit Seesaw gearbeitet, später kommt auch Moodle zum Einsatz. Interaktive Tafeln sind überall verfügbar, 3D Drucker, Vinylplotter, Lasercutter Teil der Schulausstattung. Mandarin und englisch sind obligatorisch, französisch und spanisch werden als Wahlfächer angeboten. 

Das Konzept der Schule, die technische Ausstattung, die selbstverständliche Implementierung von digitalen Medien in den Schulalltag gefallen. Zum anderen handelt es sich um eine Privatschule mit hohem Schulgeld. Eine Kollegin berichtet schließlich, dass Drill, Schweiß und Tränen an dieser Schule Teil des Schulalltags sind.

IV Pui Ching Middle School

Erfreulich ist es, dass auch der Besuch einer öffentlichen Schule in Hongkong am folgenden Tag auf der Tagesordnung steht. Die Pui Ching Middle School hat 36 Klassen und wurde 1889 gegründet.

Bei der Präsentation wird auf einige berühmte ehemalige Schüler der Schule verwiesen. Unter anderem gehört ein Nobelpreisträger und ein Träger der Fields Medaille zu den Absolventen. Eine minutiös geplante Vorstellung der Schule und der Schulaktivitäten folgt. 

Im Design und Technologielabor werden uns aktuelle Projekte vorgestellt, dazu gehören selbst gebaute Roboter für einen Robotikwettbewerb, Spieleprogrammierung und Mathematikprojekte. Auffallend: ausschließlich Knaben präsentieren. Die Schule besitzt ein eigenes Aufnahmestudio inkl. Greenscreen, etc. etc. Und schließlich dürfen wir auch noch das digitale Musiklabor besuchen.

Dieses Musiklabor ist erstklassig ausgestattet. Unzählige digitale Keyboards und E-Drums sind Teil der Ausstattung, der Lehrende kann zentral alle Geräte steuern. Der Vorteil des Digitalen erschließt sich mir nicht. Es scheint, dass hier digitale Medien zur Gleichschaltung verwendet werden und Kreativität eher hemmen als dass sie diese fördern.  Stichwort: palliative Didaktik.  Es sind ausschließlich Mädchen im Musiklabor am Musizieren.

Die Schule lässt mich vorerst ratlos zurück. Wenn wir eine Schule wollen, die auf Nobelpreise, Fields Medaillen, Dekane und Minister verweisen kann, dann benötigen wir diese Art von Unterricht? Das ist mit meiner Vorstellung von Schule und der Arbeit mit digitalen Medien nicht in Einklang zu bringen.

Aus meiner Ratlosigkeit holt mich am nächsten Tag der gute Markus Aspelmeyer. Er hat zu dem Nobelpreisträger, der die Pui Ching Middle School besuchte, recherchiert und herausgefunden, dass dieser in seiner Autobiografie zwar auch den Schulalltag beschreibt aber auch, dass er sich viele soziale Kompetenzen erst nach dem Abgang von der Schule erarbeitet hat. Sein Abgang von der Schule war 1957: https://en.wikipedia.org/wiki/Daniel_C._Tsui Das macht mich zuversichtlich: Nobelpreisträger/innen der Zukunft werden wohl andere Kompetenzen benötigen. 

V Fazit

Beeindruckend ist die Bereitschaft zur Veränderung in Singapur und die Summen, die in Bildung investiert werden. Die Entwicklung möchte ich auch noch gerne weiter verfolgen, ich werde versuchen, hier den Kontakt zu halten. Auch die technische Ausstattung der Schulen war spannend, ebenso wie die Begeisterung der Schülerinnen und Schüler. Dass auch an einer Vorzeigeschule in einem Vorzeigeland zuerst in Technik investiert wird, über didaktische Konzepte aber wenig nachgedacht wird, hat mich dann doch überrascht. insofern hat sich die Reise sehr gelohnt, weil damit besser abschätzbar ist, wo wir stehen, wo Singapur und Hongkong von uns lernen kann und wo wir von ihnen.

Das war ein sehr kurzer Bericht, Ausführliches erzähle ich auch gerne persönlich. 🙂

Ganz herzlich bedanken möchte ich mich beim bmbwf für die Einladung zur Teilnahme an der Reise und bei meinen Vorgesetzten an der PH Niederösterreich, dass sie die Reise genehmigt haben! Es war eine große Freude, Teil der Science Delegation zu sein! Hier unser Science Bus:

Vor der Reise war ich aus mehreren Gründen skeptisch. Danken möchte ich daher meiner Tochter, die sinngemäß meinte, ich würde völlig spinnen, wenn ich solch eine Möglichkeit geboten bekäme und ausschlagen würde. Mein schlechtes Gewissen wegen der verheerenden Ökobilanz durch die weiten Flüge habe ich durch eine Kompensationsspende an atmosfair.de versucht zu beruhigen.

Hongkong
Blick über Singapur von einer Mikrobrauerei eines Österreichers


1 thought on “Learning from the Best”

  • Danke für deinen ausführlichen Bericht. Lehrkräfte in Singapur und Hong Kong sind auch aktive Lesson und Learning Study Forscher/innen. Schade dass euch diese Seite der Professionalisierung nicht gezeigt wurde…

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